Weithin sichtbar steht der Dom St. Marien oberhalb der Havelberger Stadtinsel auf dem bergigen nördlichen Havelufer. 946 wurde von König Otto I., dem späteren Kaiser, östlich der Elbe u.a. das Bistum in Havelberg gegründet, um den christlichen Glauben auch in die damals slawisch besiedelten Gebiete östlich der Elbe zu bringen. Die Gründungsurkunde ist, auch nach neueren Erkenntnissen, mit 946 datiert, entgegen der Annahme 948. Der Havelberger Bischofssitz unterstand zunächst dem weit entfernten Erzbistum Mainz, ab 968 dem neu gegründeten Erzbistum Magdeburg. 983 kam es zur Zerstörung durch die Lutizen während des großen Slawenaufstandes. Die Christianisierung ließ sich dadurch aber nicht aufhalten, in der Zeit ab 1100 gab es erneut Kämpfe, die 1147 im sogenannten Wendenkreuzzug ihren Abschluss mit der Unterwerfung der slawischen Stämme fanden. Der damalige Bischof Anselm konnte dadurch seinen zwischenzeitlichen Sitz in Jerichow wieder nach Havelberg verlegen und sich von dort aus um die Belange seiner Diözese kümmern.
Bischof Anselm begann um 1149/1150 mit dem Bau der Domkirche und einem Domstift, dessen Angehörige die Regeln der Prämonstratenser befolgten. Der durch Norbert von Xanten 1121 gegründete Prämonstratenser-Orden sollte klösterlich gemeinsames Leben von Priestern mit Seelsorge und liturgischem Dienst verbinden. Die Chorherren lebten nach der strengen Augustinusregel. Charakteristisch war ein von Armut, Fasten, Gehorsam und Schweigen geprägtes Leben, später lockerte sich die Strenge der Anfangszeit. Es gab zunehmend Erleichterungen in den Lebensvorschriften. Chorherren aus Magdeburg und Jerichow hielten um 1150 Einzug in das Havelberger Domstift. Das alltägliche Leben der Geistlichen sah sieben bis acht Stundengebete vor. Zwischenzeitlich wurden, je nach Funktion, Hausarbeiten, Krankenpflege, Unterricht, Verwaltungsarbeit und ähnliches ausgeübt. Darüber hinaus widmeten sich die Havelberger Chorherren der Betreuung der umliegenden Pfarreien und der christlichen Missionierung unter den Slawen.
Am 16. August 1170 wurde der Havelberger Dom durch Bischof Wichmann von Magdeburg geweiht. Zu dieser Zeit war er als schlichte Basilika gestaltet, die Mauern wurden mit Gommernquarzitsteinen errichtet. Eine flache Holzdecke überspannte die drei Längsschiffe dieser Basilika mit Ost- und Westriegel. Ein Querschiff war nicht vorhanden, der Altarraum wurde vom Kirchenschiff optisch mit einem Triumphbogen abgegrenzt, der Chorraum schloss mit einer halbrunden Apsis ab. In der heutigen Anlage sind noch viele Elemente aus der romanischen Zeit erkennbar.
Dem wehrhaft wirkenden Westriegel wurde um 1200 ein Abschluss aus Backstein für das Läute- und Glockengeschoss aufgesetzt.
Die Bischöfe von Havelberg residierten seit 1270 im zum Bistum gehörigen Wittstock/Dosse, das Domkapitel blieb in Havelberg. 1279 blieben nach einem Brand nur Außenwände, die romanischen Pfeiler mit ihren Rundbögen sowie der Turm stehen. Im Zuge des Wiederaufbaus bis um 1330 fügte man dem Kirchenschiff gotisches Mauerwerk und Kreuzgewölbe hinzu. Fünf Seiten eines Achtecks bildeten nun den Abschluss des Chorraumes nach Osten anstelle der halbrunden Apsis. Mit der Weihe des geschnitzten Hochaltars war der gotische Umbau im Wesentlichen abgeschlossen. Dieser gotische Altar des Havelberger Doms steht heute in der Rossower Kirche unweit von Wittstock.
Der Ostflügel als ältester Teil der Klosteranlage wurde um 1200 aus Backstein gebaut und gehört zu den ältesten romanischen Backsteinbauten im nördlichen Deutschland. Im Ostflügel waren unter anderem Sakristei, Vestiarium (Gewänderkammer), Kapitelsaal, Auditorium sowie Dormitorium (Schlafsaal) im Obergeschoss untergebracht. Der südliche Teil der Klosteranlage mit Sommer- und Winterrefektorium (heute Paradiessaal) und Bischofssaal im Obergeschoss (bischöfliche Dienstwohnung) wurde am Anfang des 13. Jahrhunderts errichtet und im 14. Jahrhundert mit einer gewölbten Decke ergänzt. Zum Ende des 13. Jahrhunderts wurde der westliche Teil der Klosteranlage mit Cellarium (Lagerraum), Kornspeicher und Kreuzgang gebaut. Damit umschloss der Kreuzgang auch den Klosterhof.
Einfluss und wirtschaftlicher Wohlstand des Havelberger Bistums wuchsen vor allem durch die Wallfahrt zum Heiligen Blut in Wilsnack bis ins 14./15. Jahrhundert. Der Havelberger Dom St. Marien zeugt mit Umbauten aus dieser Zeit.
Unter Bischof Johann von Wöpelitz erfolgte um 1400 der Bau des Lettners und der seitlichen Chorschranken. Der dabei verwendete Sandstein wurde äußerst kunstvoll bearbeitet und war ursprünglich bemalt. Zwanzig Reliefs zusammen mit 14 einzelnen Statuen stellen den Leidensweg Christi dar. Die Ausschmückung der Lettner-Skulpturen zeigt den Einfluss der Prager Parler Schule, welche in Norddeutschland große Bedeutung besaß.
Im nördlichen Seitenschiff sind 7 mittelalterliche Fenster mit Glasmalereien aus dem frühen 15. Jahrhundert zu finden. Sie stellen Szenen aus dem Leben Christi dar. Die zwei westlichen Fenster in diesem Seitenschiff mit ornamentaler Grisaillemalerei stammen aus der Umbauzeit um 1300. Die Fenster wurden von Meistern aus Stendal und Halberstadt angefertigt.
Die Orgel des Havelberger Doms stammt aus dem Jahr 1777 und wurde vom Orgelbauer Gottlieb Scholtze aus Ruppin, einem Schüler Joachim Wagners – auch bekannt als „Märkischer Silbermann“, gefertigt. Noch heute ist die Orgel mit ihrem schönen Klang bei Gottesdiensten, Kirchenfesten und Konzerten zu hören. Zu Ehren von Bischof Johann von Wöpelitz wurde 1411 ein Grabmal (Grabtumba) mit Alabasterfigur errichtet, als der Lettner geweiht wurde. Aus der Zeit um 1300 gehören noch heute drei Sandsteinleuchter, zwei davon mit plastischen Figuren, von der ersten Chorschranke des Doms zur Ausstattung. Ein spätgotisches verziertes Portal (Priesterpforte) bildet den Durchgang zum östlichen Kreuzgang der Klosteranlage. Zu den ältesten Einbauten im Havelberger Dom gehört die Triumphkreuzgruppe, die um 1280 entstand. Im Chorraum stehen heute noch eichenes Chorgestühl aus der Zeit 1300 bis 1350 und ein Zweisitz von ca. 1430, jeweils mit reizvoll geschnitztem Dekor und Figuren.
Zu den bedeutenden Ausstattungsstücken gehören auch Reste der ornamentalen Deckenmalerei von 1330 am westlichen Gewölbe im südlichen Seitenschiff, des weiteren die St. Annen Kapelle von 1508 sowie die St. Marien Kapelle aus dem frühen 14. Jahrhundert. Der Renaissance-Taufstein stammt von 1588, die Barockkanzel von 1693 und der monumentale Barockaltar mit Darstellung des Abendmahls von 1700. Im Dom und im Kreuzgang sind 63 Grabplatten aus Sandstein mit Abbildungen von Havelberger Bischöfen, Dompröpsten, Kapitelsangehörigen und deren Familien aus dem 13. bis 18. Jahrhundert zu sehen.
Die Auflösung des Bistums Havelberg durch den zunehmenden Einfluss der Reformation begann im 16. Jahrhundert. Die Markgrafen von Brandenburg waren gegen Ende des Mittelalters als Schutzvögte über das Domstift eingesetzt und versuchten, ihre Befugnisse immer weiter auszudehnen. Kurfürst Joachim I. von Brandenburg ließ 1506 das Prämonstratenserstift aufheben und wandelte es in ein weltliches Kapitel um. 1561 hielt die Reformation Einzug in die Havelberger Domkirche und wurde mit neuen evangelischen Statuten 1581 abgeschlossen.
1819 wurde das nunmehr evangelische Domstift aufgelöst. Es erfolgte die Enteignung der Stiftsgüter zu Gunsten des preußischen Fiskus, die Stiftgüter verwaltete nun ein staatliches Domänenamt. Der Dom diente weiterhin als evangelisches Gotteshaus. Domkirche sowie die ehemaligen Klostergebäude des Prämonstratenserstiftes und zugehörige Bauten wie Propstei, Dechanei, Brau- und Darrhaus, Domhospital, Domschule und Wohnhäuser der Domherren blieben erhalten und prägen noch heute in bemerkenswerter Weise das Stadtbild Havelbergs.
Im 19. Jahrhunderts führte man umfangreiche Restaurierungsarbeiten im Innen- und Außenbereich durch. Im Zeitraum 1907 bis 1909 erhielt das Westwerk des Doms ein weiteres Glockengeschoss und ein neues Portal. Der Turm mit Dachreiter misst nun 47,5 Meter. Die Gesamtlänge des Doms beträgt 72,5 Meter, die Höhe des Kirchenschiffs 22 Meter, als Gesamtbreite wird 22,5 Meter angegeben. Im Laufe des 20. Jahrhunderts gab es immer wieder Instandsetzungsarbeiten, insbesondere nach dem 2. Weltkrieg. Die Sprengung der Havelbrücken in den letzten Kriegstagen hatte auch am Dom Schäden hinterlassen. Ab 1996 kam der Havelberger Dom in den Besitz der Stiftung Dome und Schlösser Sachsen-Anhalt, seit 2017 Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, die nun für den baulichen Erhalt verantwortlich ist.
Heute wird die Domkirche von der St.-Marien-St.-Laurentius-Gemeinde für evangelische Gottesdienste und Veranstaltungen musikalischer Art genutzt. Außerhalb der Gottesdienste ist der Havelberger Dom den zahlreichen Besuchern (Anfragen dazu hier) zugänglich. Die katholische Gemeinde Havelbergs trifft sich seit 1905 zu ihren Gottesdiensten in der St. Norbert Kapelle im westlichen Teil der Klosteranlage (ehemals Cellarium). Das Prignitz-Museum hat seinen Sitz seit 1904 im Obergeschoss der gut erhaltenen Klosteranlage. Die sehenswerten Ausstellungen des Museums zur Siedlungsgeschichte der Region, Domgeschichte und Stadtgeschichte befinden sich im früheren Kornspeicher, dem Bischofssaal und im ehemaligen Schlafsaal der Mönche (Dormitorium).
Alle Proben der Musikgruppen der evangelischen Kirchengemeinde finden im Musikraum im Ostflügel der Klosteranlage am Havelberger Dom statt.
Der Paradiessaal (Sommer- und Winterrefektorium – Speisesaal) wird für evangelische Gottesdienste (in der Winterzeit), Veranstaltungen musikalischer Art und Vorträge genutzt.
Auch ist im Paradiessaal der Einlass- und Informationsbereich für Dombesucher – Büchertisch/Domladen untergebracht. Interessantes rund um den Havelberger Dom wird in diesem Bereich angeboten.
Im Juni jeden Jahres gibt es das „Domfest“ mit Straßenmusikanten, Gauklern, Fakiren, kleine und große Tänzerinnen und Tänzer, Chöre, Handwerker, Händler und mittelalterlichem Flair.
- Dombesuch, Info und Öffnungszeiten
- zur Führung anmelden
- weitere Bilder in der Galerie und Klang vom Läuten der Glocken
Literatur:
Alfred Schirge – Dom zu Havelberg – Ev. Verlagsanstalt GmbH Berlin, 1970
Havelberg-kleine Stadt mit großer Vergangenheit – Mitteldeutscher Verlag, 1998
Brandenburgisches Klosterbuch – be.bra wissenschaft Verlag, 2007
Antje Reichel – Der Dom zu Havelberg – Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt, Verlag Janos Stekovics, 2010