März 2013 – Liebe Leser,

Frank Städler – Dompfarramt – Evangelische St.-Marien-St.-Laurentius-Gemeinde in der Hansestadt Havelberg
„Papa, warum hängt der da?“, fragt ein Kind seinen Vater und zeigt auf das Kruzifix in einer Kirche, die sie gerade besichtigen. Und der Vater fängt an, von Jesus zu erzählen. Davon, dass er ein guter Mensch war, der anderen half und Menschen heilte, den aber böse Menschen aus dem Weg räumen wollten, weil er ihr Leben in Frage stellte.
„Ist er dann gestorben?“, fragt das Kind weiter. „Ja, er ist am Kreuz gestorben. Aber wir Christen glauben, dass Gott ihn nicht im Tod gelassen hat, wir glauben, dass er auferstanden ist, dass das Leben über den Tod gesiegt hat …“ An Hand von einfachen, kindlichen Fragen sehen wir, wie schnell wir zum Kern unseres Glaubens kommen können.
Dennoch ist das, was wir selbstverständlich finden, weil wir es kennen, eine Provokation. Warum ist das Kreuz in den Kirchen das Zeichen der Christen? Das Kreuz ist ein Skandal, das wusste schon Paulus, als er an die Gemeinde in Korinth schrieb: wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit (1.Kor.1.23). Viele Menschen können kein Heil im Kreuz sehen. Andere verweisen auf Menschen, die unter ihren Kreuzen zerbrechen.
Und doch ist christlicher Glaube, ist christliches Hoffen wahr. Weil einer sich auf den Kreuzweg wagte, gehen wir unseren Schmerzensweg nicht allein. Weil einer sich vor Schmerz und Gottverlassenheit nicht drückte, halten wir mehr aus, als wir denken. Weil einer uns im Tod voranging, können wir uns ins Dunkle wagen – in der Hoffnung, dass Gott auch uns herausrufen wird. Das Kreuz ist ein Skandal und vielen Menschen, die das Evangelium nicht kennen, unverständlich, ja töricht. Aber es ist auch ein Zeichen der Hoffnung: dass die Liebe stärker ist als alles Versagen, als alle Brutalität – stärker noch als der Tod. Wenn wir – wie Paulus – den Gekreuzigten predigen, dann wird das Kreuz quer stehen bleiben, gegen Gottvergessenheit, gegen Unmenschlichkeit, gegen Selbstsucht und Ökonomisierung allen Lebens. Auch deswegen ist das Kreuz in den Kirchen so wichtig und es ist wichtig, davon zu erzählen – seinen Kindern und den Glaubensfremden. Angesichts des Kreuzes kann ich mir über meine Glaubensfundamente klar werden, damit ich Auskunft geben kann. Natürlich kann ich dazu eine Karfreitagspredigt hören und eine Osterpredigt, doch noch mehr berühren wird es mich, wenn ich mich auf die Frage einlasse: was bedeutet das Kreuz für mich? Bedeutet es nur den Tod, nur das Leiden von Unschuldigen oder ruft es mich auch heraus, aktiv zu sein gegen das Leiden von Unschuldigen, für ein Leben im Licht Gottes? Paulus schreibt seinen Satz im Brief an die Gemeinde in Korinth so weiter: …denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus, als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
Wir sehen das Kreuz in den Kirchen und glauben: Christus ist auferstanden. Gott hat die Macht des Todes besiegt. Das singen, beten und hören wir zum Osterfest und sind dennoch leicht irritiert von einer einfachen Frage eines Kindes oder eines Glaubensfremden. Ich denke, das soll so sein.
Es grüßt Sie herzlich, Ihr
Frank Städler