Gemeindebrief September – November 2011
aus dem Gemeindebrief
der Evangelischen St.-Marien-St.-Laurentius-Gemeinde
in der Hansestadt Havelberg

Pfarrer Thomas Krispin – Evangelische St.-Marien-St.-Laurentius-Gemeinde in der Hansestadt Havelberg
Baum am Wasser
Liebe Gemeindeglieder, sehr geehrte Leser,
bei einer Weiterbildungsveranstaltung erhielt die Seminargruppe den Auftrag, hinauszugehen in die herbstliche Natur, sich einen Baum auszusuchen und diesen zu zeichnen. Die Ergebnisse fielen recht unterschiedlich aus. Je nach dem, welchen Schwerpunkt der jeweilige Betrachter und Zeichner setzte. Die Meisten zeichneten ihren Baum mit Wurzeln.
Ich gehörte zu denen, die sich an das Gesehene hielten und ließ die Wurzeln weg. Daraufhin wurde ich mit der Frage konfrontiert, ob mir der innere Halt fehlt und ich in diesem Leben nicht verwurzelt sei.
Natürlich weiß ich, dass ein Baum nicht nur aus Stamm und Krone besteht. Er steht nicht einfach lose auf dem Erdreich. Er hat ein umfangreiches Wurzelwerk, das ihm Standfestigkeit verleiht und ihn mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Zusammen mit dem Sonnenlicht erhält er so seine Lebensenergie; und die Möglichkeit, anderen Geschöpfen Lebensraum zu bieten und Nahrung zu liefern. Werden die Wurzeln beschädigt, wird der Baum krank. Er stirbt ab oder ist so geschwächt, dass er den herbstlichen Stürmen nicht mehr standhält.
Der Mensch vergleicht sich gern mit einem Baum. Wir möchten standfest sein wie ein Baum und ebenso alt werden. Manch Sänger hat es schon besungen. Wir möchten auch ebenso nützlich sein. Auch hier gilt: Was ich tue, was andere an mir erleben, was von mir zu hören und zu sehen ist, hat seine Ursachen in dem, was nicht so leicht sichtbar ist. Ich lebe – und jeder Mensch lebt – aus verborgenen Tiefen. Und die sind bei Menschen wie Bäumen recht unterschiedlich. Die Frage der Seminarleiterin ließ mich einmal mehr nachdenken über das, was meinem Leben Halt, Kraft und Nahrung gibt. Was sind die Wurzeln meines Tuns? Woraus lebe ich? Da denke ich an die Familie, in der ich aufwuchs und die, in der ich jetzt geborgen bin. Ich denke an den Freundeskreis, aber auch an meine Erziehung, in der der christliche Glaube von Anfang an eine nicht geringe Rolle spielte. Die Vertrautheit mit Gott und das Vertrauen in ihn erweisen sich gerade dann als tragfähig, wenn jeder andere Halt ins Wanken gerät.
Bei Gott ist die Quelle des Lebens. Das wusste schon der Beter des ersten Psalms. Er schreibt: Wie glücklich ist, wer sich nicht nach dem Vorbild gewissenloser Menschen richtet und nicht zusammensitzt mit Leuten, denen nichts heilig ist. Wie glücklich ist, wer Freude hat an den Weisungen des Herrn, wer täglich sein Wort liest und darüber nachdenkt. Der gleicht einem Baum, der am Wasser steht; Jahr für Jahr trägt er Frucht, sein Laub bleibt grün und frisch. …
Ist das eine Erfahrung, die Sie bestätigen können? Vielleicht sind es ganz andere Worte und Dinge, die Ihnen Halt geben. Oder erleben Sie sich gerade als saft- und kraftlos. Es fehlt Ihnen der rechte Halt. Sie spüren ihre Wurzeln nicht mehr und fühlen sich wie abgeschnitten von dem, was Ihrem Leben bisher Halt und Kraft geben hat. Womit und woraus können Sie Ihr Leben nähren?
Da kann ich nur mit dem Psalmbeter einladen, sich dem Wort Gottes neu zu öffnen. Lesen Sie jeden Tag einen Abschnitt. Gehen Sie dahin, wo über Gottes Wort gesprochen wird, wo es verkündet oder diskutiert wird. Und versuchen Sie selbst, mit Gott ins Gespräch zu kommen. Sie werden erleben, wie Ihnen plötzlich neue Lebensenergien zufließen. Jesus bekräftigt das in Matthäus 4,4: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.
Wenn Sie die Wurzeln Ihres Lebens nach Gott und seinem Wort ausstrecken, werden Sie erleben, wie sich neue Zuversicht in Ihrem Leben ausbreitet, wie Ihnen neue Kraft zuströmt. Sie werden in den 27. Psalm einstimmen: Der Herr ist mein Licht und mein Heil. Vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist die Kraft meines Lebens. Vor wem sollte mir bange sein?
Mit seiner Hilfe können wir den Stürmen des Lebens trotzen und zuversichtlich in die Zukunft blicken. Auch die rauen Nebel des Herbstes und die langen Nächte des Winters werden uns nicht schrecken.
Verbunden mit herzlichen Segenswünschen grüßt
Ihr Pfarrer Thomas Krispin
Wenn ich einen grünen Zweig in meinem Herzen habe,
wird sich ein Vogel darauf niederlassen.
Sprichwort